Musiker*innen, Künstler*innen, DJs und andere Kulturschaffende unterhalten sich anhand von zehn ausgewählten Platten über ihre Musikleidenschaft und ihr Leben.
Siebte Folge: Hermes Villena im Gespräch mit Martin Laurentius, Musikjournalist und Redakteur des Jazz Thing Magazins.
»Cantaloupe Island« ist ein Standard, der von Herbie Hancock komponiert und 1964 für sein Album »Empyrean Isles« während seiner Jahre als Mitglied des Miles Davis’ Quintett der 1960er Jahre aufgenommen wurde. Hier das bei Blue Note herausgegebene Original in der Besetzung: Hancock (Klavier), Freddie Hubbard (Kornett), Ron Carter (Bass) und Tony Williams (Schlagzeug).
Bei seinen Konzerten in den eigenen Formationen gehörte das Stück lange zu seinem Repertoire, auch in späteren Jahren, nachdem die Zusammenarbeit von Hancock und Davis 1989 mit dem bahnbrechenden Werk »Bitches Brew« bereits beendet war und er selbst seinen Stil in Richtung Fusion-Jazz weiterentwickelt hatte. Zwei Aufnahmen hierzu, die auch die wunderbare Kreativität und Originalität der beteiligten Künstler dokumentieren. Zunächst im Video die Originalbesetzung ergänzt um Freddie Hubbart, dann eine Aufnahme unter Leitung von Marcus Miller.
Schließlich eine komplett andere Version aus 1992 mit Pat Metheney, Dave Holland und Roy Hanes
In jüngerer Zeit ist der Song auch dadurch bekannt geworden, dass die Jazz-Rap-Gruppe Us3 »Cantaloupe Island« in ihrem Song »Cantaloop (Flip Fantasia)« (1993) sampelte.. Diese Version ist in zahlreichen Medien erschienen.
Jochen Axer, Unterstützer des King Georg und über die Cologne Jazz Supporters Förderer vieler weiterer Jazz-Projekte, stellt hier jeden Sonntag einen seiner Favoriten vor.
Bei Gianni Brezzo wird (Jazz-)Musik zum Lebensgefühl, zum aufgeklappten Cabrio-Dach, zum barfuß Laufen am Strand, zum strahlenden Soundtrack einer Jugend.
In Köln muss man nicht lange nach jungen Musiker*innen suchen, die sich mit Jazz auseinandersetzen. Die ansässige Hochschule, die selbstorganisierte Szene sowie alte und junge Institutionen wie das King Georg sorgen für eine formidable Infrastruktur in der Stadt. Ein besonders erfreulicher Aspekt ist dabei, dass auch abseits der klassischen Pfade immer häufiger die Nähe zum Jazz gesucht wird.
Einer dieser Musiker*innen ist der Brühler Gianni Brezzo. Ein Künstlername, eigentlich heißt der hochtalentierte Komponist und Produzent Marvin Horsch. So lernten ihn auch Freund*innen der elektronischen Musik kennen, als er vor etwa zehn Jahren anfing im Geiste des »Sound of Cologne«, einem melodischen Minimal-Ansatz, der durch das Label Kompakt weltweit etabliert wurde, Tracks zu produzieren. Doch diese Stücke wären nie bloß funktionale Tanzmusik, sondern bewiesen schon eine Neigung zu ungewöhnlichen Songstrukturen und Harmonien.
Es wunderte nicht wenige, als Horsch plötzlich aus dem Scheinwerferlicht verschwand, wo doch gerade erst in England und auch den USA über ihn berichtet wurde. Es wurde still, doch nur scheinbar, im Geheimen bastelte Horsch schon länger an einer anderen Idee von Musik. So half er Keshav Purushotham, der schon häufiger am Wochenende in der King Georg Klubbar aufgelegt hat, bei der Produktion seines Solo-Debüts unter dem Namen Keshavara. Hier bewies er ein besonders sorgfältiges und innovatives Händchen.
Zeitgleich tauchte eine Chimäre aus dem Nichts aus. Eine LP machte die Runde, deren verwirrender Name lautete »tak 2€«. 2017 sorgte die für Erstaunen, war doch unklar, wer der Urheber dieser sonderbaren und interessanten Musik war, die klang wie Jazz und sich anfühlte wie Jazz, aber vermeintlich keiner war. Noch mehr Fragezeichen erzeugte das anschließende Konzert im Off-Kunstraum Gold + Beton am Ebertplatz. Hier spielten Kölner Jazzmusiker*innen (zum Beispiel Jan Philipp am Schlagzeug) groß auf … einen Gianni Brezzo suchte man im Line-up hingegen vergeblich. Wer war dieser Mann? Horsch beziehungsweise Brezzo war die erste Zeit ein Geist, der rumspukte und junge Menschen den Jazz lehrte. Im Interview mit der Kölner Stadtrevue kommentierte er diese Phase ganz unprätentiös: »Eigentlich hatte ich mir nicht viel dabei gedacht, außer ein bisschen Spaß haben zu wollen und die Musik, die ich für das Projekt schrieb, von der Band meines Gitarrenlehrers performen zu lassen.« Statt Masterplan eben Spaß – eine Haltung, die man selbstverständlich im Jazz immer wieder findet.
»Am liebsten mache ich Musik am Morgen, zu einem Kaffee am Nachmittag oder abends mit einem Glas Vino«
Gianni Brezzo
Die Übergangszeit war wichtig, denn Horsch war als Produzent elektronischer Musik ein Aushängeschild der Stadt und viele seiner Fans nicht unbedingt bereit für diesen großen aber folgerichtigen Schritt. So war es eine Eingewöhnungszeit mit Gianni Brezzo. Allmählich zeigte sich Horsch öfter als Gianni Brezzo in der Öffentlichkeit, nahm bei Konzerten, wie etwa in der Kölner Philharmonie vor zwei Jahren, selbst die Gitarre in die Hand und führte seine Band.
Mittlerweile gibt es drei Solo-Alben, eine Kooperation mit dem Osnabrücker Ambient-Künstler Cass., dazu eine Handvoll EPs, Compilationbeiträge, Singles – und womöglich noch hunderte Tracks, die nur noch nicht das Licht der Welt erblickt haben. Brezzo erklärt den enormen Output so: »Ich mache täglich Musik. Ich nehme Musik täglich auf.« Mit jeder Platte nähert er sich klassischeren Jazz-Gefilden an – ohne seine eigene Handschrift zu verlieren. Es ist eine eigene, sehr frische Note, die Brezzo da anklingen lässt.
So bleibt er aber für sein Publikum ungreifbar, was sich aber in Zeiten sich immer schneller morphender Erwartungshorizonte durchaus lohnen kann. Trotzdem gibt sich Brezzo betont lässig und zurückgelehnt: »Am liebsten mache ich Musik am Morgen, zu einem Kaffee am Nachmittag oder abends mit einem Glas Vino.« Musik produzieren wird hier der Nimbus der Arbeit genommen, sie wird wieder zu etwas, was man längst vergessen hatte: Zum Lebensgefühl, zum aufgeklappten Cabriodach, zum barfuß Laufen am Strand, zum strahlenden Soundtrack einer Jugend.
Ganz so billig lässt Brezzo die Hörer*innen dennoch nicht davonkommen. Klar, auf »The Awakening« wird viel gechillt, wie man so sagt. Aber eben nicht ohne Disruption: »Beirut« mit der Vokalistin J. Lamotta erinnert uns im Gewand des Jazz-Pops an die schreckliche Situation in Libanons Hauptstadt. »In My Arms« fängt mittenmang an zu dröhnen und ist dann eher überwältigend als entspannt. Immer wieder gibt es jene kleine Hürden, die man elegant überspringen muss, um dahinter einfach zu genießen. Das ist aber nicht störend, sondern vor allen Dingen richtig gutes Songwriting. Keine Sorge, dass sich hier irgendwas bereits erschöpft haben könnte: Gerade die Arbeit mit den Sänger*innen J. Lamotta und Otis Junior hat Brezzo gefallen. Also könnte die nächste Platte vornehmlich auf Gesangsspuren basieren – oder halt doch etwas komplett anderes bereithalten.
Text: Lars Fleischmann
Schlagzeuger und Berklee-Professor Ralph Peterson bleibt kontinuierlich produktiv mit verschiedenen Bands und Album-Veröffentlichungen auf seinem Onyx Label. Er kann auf eine beachtliche Karriere als Sideman zurückblicken, unter anderem als zweiter Drummer für Art Blakey, mit David Murray und einem Who Is Who des Jazz der 1980er und 1990er Jahre, aber auch immer wieder mit eigenen Bands. Mit Aggregate Prime hatte er schon 2016 das beachtliche Studio-Album »Dream Deferred« vorgelegt, es folgt mit »Inward Venture« eine Live-Aufnahme des leicht umbesetzten Quintetts, aufgenommen im März 2018. Gemeinsam mit Bass-Altmeister Curtis Lundy sorgt Peterson für energiegeladenen pulsierenden Rhythmus, über dem Saxofonist Gary Thomas ausdrucksstarke Solos bläst, etwa in »I Hear A Rhapsody«. Den meisten Solo-Platz bekommt Gitarrist Mark Whitfield, den er oft mit fliegenden Läufen nutzt wie in Petersons Eigenkomposition »Soweto 6«. Dieses Stück enthält ein inspiriertes Solo vom jungen Pianisten (und Sohn) Davis Whitfield, der auch in Andrew Hills »Venture Inward« brilliert. Das Album endet mit Lenny Whites »L’s Bop« in rasend schnellem Tempo und mit Mark Whitfields eindrucksvollstem Solo.
Text: Hans-Bernd Kittlaus
Das Duo LUDWIG//WITTBRODT klingt nach Neuer Musik, Minimal Music, verschiedensten Jazz-Facetten, Kraut, Elektroakustik – und sehr eigen.
Wer sich in der breiten und großen Landschaft der NRW-Musikszene, speziell in den Jazz- und Jazz-assoziierten Kreisen umschaut, droht schnell überwältigt zu werden von der Vielzahl an Musiker*innen, die sich hier tummeln. Von dem Umstand profitieren wir alle. Dennoch: Die ganzen Namen muss man erst mal auseinanderhalten können. Glücklicherweise gilt NRW, vor allen Dingen die Region Rhein-Ruhr, als Vorzeigestandort für Künstler*innen-Kollektive. Das kann man getrost behaupten.
Dementsprechend ist es eine Einstiegshilfe, sich an den Namen der Kollektive und Gruppierungen zu orientieren. Das ist wohlgemerkt keine neue und auch keine hier entstandene Entwicklung. In Chicago hatte sich in den 1960er Jahren die Association for the Advancement of Creative Musicians (AACM) gebildet, Musiker*innen wie Gruppen vertreten, Konzerte und Stipendien organisiert …
So machen es dann auch die heutigen Kollektive – und mit dem Elektroakustik-Duo LUDWIG//WITTBRODT spielt am 19.2. 2021 eine Formation im King Georg, die (un)mittelbar mit dieser Entwicklung zu tun hat.
Da wäre einerseits das Kollektiv The Dorf aus dem Ruhrgebiet, dessen Teil die in Bonn geborene Cellistin Emily Wittbrodt ist. Sie studierte ab 2010 klassisches Cello an den Universitäten in Essen, Düsseldorf, Helsinki, Florenz – und im Anschluss Jazzimprovisation in Köln. Ihr musikalischer Schwerpunkt ist heute kaum mehr zu greifen, vielmehr zeichnet sich Wittbrodt durch Versatilität und ein unheimlich begeisterndes Gespür für Interdisziplinarität und Genreverschränkung aus. So spielt sie einerseits in dem bereits erwähntem Big-Band-Kollektiv The Dorf; dazu in etlichen Konstellationen, die ein Feld zwischen Drone, Avantgarde-Jazz, Elektroakustik, Improv und Neue Komposition ausloten.
Gerade mit dem Duo LUDWIG//WITTBRODT kommen die Assoziationen in Legionen. Neue Musik, Minimal Music, verschiedenste Facetten des modernen und komplexen Jazz, Kraut, Elektroakustik. Man denkt an Steve Reich, Terry Riley, Stockhausen, Kagel, Kelan Phil Cohran … Alleine im Opener des ersten Kassetten-Releases »LUDWIG//WITTBRODT« kann man all diese Traditionen und Referenzen erhaschen. Manche subtiler, andere offensichtlicher. Im weiteren Verlauf werden noch weitere Musiker*innen der Musikgeschichte als Pat*innen aufgerufen, darunter Wendy Carlos, Phill Niblock oder Tony Conrad.
Erschienen ist die Kassette 2020 beim Mülheimer (a.d.R.) Label Ana Ott. Ein genauso kollektivistisch angelegtes Label, wie das zu The Dorf gehörige Umland Records, das sich im Fall von Ana Ott rund um das Mülheimer Kulturzentrum Macroscope gegründet hat – und von dort aus seine vielgestaltigen Aktionen, Projekte und Bands realisiert.
Eine der treibenden Kräfte ist der Musiker Edis Ludwig (daher dann auch der Name LUDWIG//WITTBRODT). Ludwig ist Teil der Band Nasssau, ein lose formuliertes Band-Projekt, das im Kern aus acht Musiker*innen besteht und psychedelische Post-Kraut-Musik spielt. Zum Beispiel bei der Kölner Brückenmusik, am Kölner Ebertplatz oder beim Platzhirsch Festival in Duisburg. Dazu kommt die Band Transport (unter anderem mit dem Jazz-Journalisten Niklas Wandt), das Indierock-Quartett The Düsseldorf Düsterboys und weitere. Außerdem betreibt er eben das Label Ana Ott.
Gerade im Projekt LUDWIG//WITTBRODT erkennt man, wie die Tradition des kollektivistischen Arbeitens auch musikalische Vorzüge mit sich bringt. Ein solch fragiles Konstrukt wie dieses Duo, mit seinem Cello einerseits sowie den Drums und Computerspuren andererseits, funktioniert nur bei konzentriertem »Aufeinanderhören und Achtgeben«; die delikaten vier Stücke des Debüt-Albums nur, weil zwei Musiker*innen Vertrauen zu sich und der Musik aufbauen können. Im Live-Kontext, wo das Set-up aufgrund bestimmter technischer Vorgaben sogar noch an Zartgliedrigkeit gewinnt, ist dieses »Miteinander statt gegeneinander« Grundvoraussetzung. So entsteht grandiose Musik, die aus dem Geist des Kollektiven entsprungen ist – und gerade erst ihre ersten vorsichtigen Schritte in die Welt hinauswagt. Begleiten wir sie dabei.
Text: Lars Fleischmann, Foto: Katharina Geling
Unser regelmäßiger Podcast über das Lesen und Gelesenwerden. Was haben die Bücher mit dem Leben zu tun?
Achte Folge: Wolfgang Frömberg im Gespräch mit dem Co-Chefredakteur von Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop, Labelbetreiber und Autor Thomas Venker über den gemeinsam mit Jonathan Forsythe konzipierten Interview- und Fotoband.
Foto: Sarah Szczesny
Trompeter Matthias Schriefl und seine Band Shreefpunk erhielten vor gut zehn Jahren erste große Aufmerksamkeit in der deutschen Jazz Szene mit ihrem wilden Mix aus Jazz, Rock und Punk in der exzellenten Besetzung mit Gitarrist Johannes Behr, Bassist Robert Landfermann und Schlagzeuger Jens Düppe. Mit diesem Album ließ Schriefl die Band 2018 wieder aufleben und mischt auf virtuose Weise Streicherinnen und Sängerinnen dazu. In den zwölf Eigenkompositionen kommt die ganze Bandbreite Schriefls zum Ausdruck, sein ins Absurde gehender Humor in der Tradition Karl Valentins, seine Verwurzelung in alpenländischer Volksmusik wie auch seine herausragenden Fähigkeiten als Trompeter und Arrangeur. »Birthday Party in Athens« startet mit schönem Bass-Solo von Landfermann, gleich zwei Schlagzeuger, Düppe und Jonas Burgwinkel, sorgen für heißen sehr variablen Rhythmus, über dem Schriefl zu heftiger Streicherbegleitung soliert und kurzzeitig alpenländische Elemente einbringt. Dann lässt Behr mittels seiner E-Gitarre den Rock ausbrechen und die Band steigert sich zu einem furiosen Klangfinale, bevor das Stück ruhig ausklingt. In »Südtiroler Rundungen« wechselt sich lieblicher Volksmusikgesang des Damentrios Netnakisum mit aggressiver E-Gitarre Behrs ab. Ein Highlight ist »Steuererklärung«, ein satirisches Loblied auf die liebste Beschäftigung der Deutschen mit dem Zeug zum Radiohit. Das Album ist typisch Schriefl, von allem etwas zuviel, und gerade dadurch genialisch.
Text: Hans-Bernd Kittlaus
Weil ihr die Geige zu eindimensional war: Nala Sinephro entdeckte die Harfe für sich, und auf ihrem Debütalbum »Space 1.8« lässt sie deren Poesie zwischen Schüttel-, Rüttel- und Schlaginstrumenten aufscheinen.
Hermes war keine 24 Stunden alt, als er aus einem Schildkrötenpanzer und dem Darm eines Tieres die Lyra bastelte – das erste Musikinstrument. Der Schwerenöter klaute darauf seinem Bruder Apollon 50 Rinder. Das hatte wenig mit den Wohlklängen der Lyra zu tun, ist aber dennoch erwähnenswert. Denn Zeus persönlich schlichtete den aufkommenden Streit durch ein Verdikt: Hermes, beschenke deinen Bruder! Er vermachte ihm das viersaitige Instrument, was Apollon zum Gott der Musik und Dichtkunst machte. Merke: Lyrik kommt von Lyra.
Zu groß und zu unhandlich?
Über die Jahrhunderte konnte das Instrument losgelöst von Olymp und göttlichen Gnaden ein Eigenleben entwickeln. Auch heute noch klingt sie gelegentlich in unseren Ohren. Eigentlich viel zu selten, wenn man bedenkt, dass die Harfe in ihrer Form als Lyra oder auch Kithara doch jahrhundertelang eben für jene Verschränkung von Dicht- und Gesangskunst, von Poesie der Worte und der Töne stand.
Gefühlt schon Ewigkeiten fristet die Harfe ein Schattendasein, nur selten erbarmt sich eine Musiker*in ihrer. Man findet sie in manchen Volksmusiken. Händel, Mozart und Ravel haben auch mal ein Konzert für sie geschrieben. Aber richtig Fuß fassen … das konnte die Harfe nie. Zu groß, zu unhandlich ist sie, zu wenig versatil. Fast vergessen von der Musikgeschichte, zumindest häufig vernachlässigt, ist der Fakt, dass gerade in der Emanzipation von Jazzmusikerinnen, vor allen Dingen auch Schwarz gelesener Musikerinnen, die Harfe eine Rolle gespielt hat – und keine zu kleine. Wie auch bei so einem Ungetüm von Instrument?
Dorothy Ashby und Alice Coltrane, geborene McLeod, später Swami Turyasangitananda, nahmen ganz selbstbewusst das Instrument in die Hand – damals keine Selbstverständlichkeit war. Nur wenige Instrumentalist*innen hatte der Jazz bis dahin hervorgebracht, auch sind viele von der (männlichen) Musikgeschichte vergessen worden. Dennoch: Ashbys »Afro-Harping« ist eine sogenannte essenzielle Platte für jede Sammlung. Dazu an dieser Stelle demnächst mehr. Wagen wir erstmal einen Blick in die Gegenwart, wo eine neue Generation von Musiker*innen sich mit ihren Ahnen auseinandersetzt – was wir als neue Jazz-Welle seit Jahren goutieren dürfen. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis auch die Harfe ein Revival erlebt.
Auf dem Debüt »Space 1.8« der karibischen Belgierin Nala Sinephro – eine weitere hypertalentierte Person, die sich im Umfeld des Londoner Steam Down-Labels rumtreibt – erklingt die Saitenreiche gleich nach wenigen Sekunden zwischen Vogelgezwitscher, geheimnisvollen Elektro-Piano-Tönen und vorsichtigen Percussions. Hier, inmitten von Schlag-, Schüttel- und Rüttelinstrumenten fühlt sich die Harfe im Intro »Space 1« ganz gut aufgehoben mit ihrer Mischung aus schwerelosen Glissandi und fragilen Zupfereien.
Auf den folgenden sieben Stücken, die ordentlich »Space 2« bis »Space 8« betitelt sind, verschwindet die Harfe immer mal wieder, lässt Piano oder Saxofon den Vortritt, springt dann aber plötzlich wieder ins Rampenlicht und umschmiegt die Nebendarsteller*innen – am Saxofon die wunderbare Nubya Garcia; Gitarre spielt die nicht mindererfolgreiche Shirley Tetteh. Auch wir, als Zuhörerschaft, dürfen von dieser Klangerweiterung profitieren, hinterfragt Sinephro doch spielerisch Hörgewohnheiten – und -traditionen.
»Space 1.8« is the place – für die Harfe
Sinephro, die schon als Kind an der Violine ausgebildet wurde, empfand das Spiel mit der Geige zu eindimensional. Klassik war nicht ihr Ding, der Folk hingegen – europäisch, afrikanisch und karibisch – schon eher. Auch heute nutzt sie ihre Harfe nicht, wie man es von der sogenannten Hochkultur kennt. Trocken abweichend von jeglichen Erwartungen, spielt sie lieber drauf los. So verbindet »Space 1.8« als Album dann auch jene Entwicklungen des Jazz, die in den letzten Jahren das Feld immer wieder erweitert hat.
Richtungsoffen und losgelöst von Genredefinitionen erscheinen funky Drums. Hier kann man eine gewisse Nähe zum Instrumental-Hip-Hop erkennen, eine Verbindung, die auch in Chicago von Makaya McCraven geschätzt und beackert wird. Dann wiederum treffen die komplexen und kontemporären Harfenkompositionen auf luftleichte und blubbernde Synths. Das kann man dann schon fastmelancholischen Elektro-Avant-Pop mit Jazzausbildung nennen. Sinephro zeigt sich auf ihrem Debüt gleichermaßen im englischen Folk, in karibischen Volksmusiken wie im Afrofuturismus eines Sun Ra zu Hause. Kein Wunder also, dass man bei den Spezialisten für zukunftsorientierte Musik, beim Warp-Label, einen Platz für Sinephro gefunden hat.
Text: Lars Fleischmann, Foto: Mr. Labembika
Wieder einmal zurück in die 1930er Jahre mit dem Stück »Body and Soul« – die bekannteste Aufnahme mit Coleman Hawkins sei an die Spitze gestellt.
Eine frühe Video-Aufnahme von drei Konzerten in Europa gibt es mit dem großartigen Dexter Gordon und seiner Band, deshalb hier die gesamte (zusammengeschnittene) Aufnahme der Konzerte 1963/1964.
01:33 A NIGHT IN TUNISIA
12:49 WHAT’S NEW
20:44 BLUES WALK
32:16 SECOND BALCONY JUMP
44:00 YOU’VE CHANGED
53:31 LADY BIRD
59:18 BODY AND SOUL
1:06:51 SOLO DE BLUES WAL
»Body and Soul« wurde in New York City für die britische Schauspielerin und Sängerin Gertrude Lawrence geschrieben, dann in den USA erstmals 1930 in der Broadway-Revue Three’s a Crowd aufgeführt, bis Ende 1930 hatten es schon 11 amerikanische Bands aufgenommen. Es ist einer der am häufigsten aufgenommenen Jazz-Standards, und es wurden zahlreiche Texte dazu geschrieben – bis in die neuere Zeit! 2011 trafen sich Tony Bennet (im Alter von 85) und Amy Winehouse. Es wurde die letzte Aufnahme vor deren Tod.
Jochen Axer, Unterstützer des King Georg und über die Cologne Jazz Supporters Förderer vieler weiterer Jazz-Projekte, stellt hier jeden Sonntag einen seiner Favoriten vor.
Unser wöchentlicher Podcast über das Leben, die Musik und alles, was dazugehört.
34. Folge: Wolfgang Frömberg im Gespräch mit dem WDR-Big-Band-Trompeter und Gastgeber der monatlichen King Georg-Sessions, Andy Haderer
Foto: Frank Wiesen