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Amy Winehouse im Kino: Für immer ein Star

Letztes Jahr wäre Amy Winehouse 40 Jahre alt geworden. Das Biopic »Back to Black« (Kinostart: 11. April) ist ein netter Versuch, ihr kurzes Leben anhand ihrer Songs zu erzählen. 

Marisa Abela als Amy Winehouse

Es ist nicht einfach, das Leben von Amy Winehouse zu verfilmen, gerade weil es so kurz war. Viele Fallstricke liegen auf dem Weg zu einem Biopic, das der britischen Sängerin gerecht werden würde, die nach steiler und doch steiniger Karriere als Folge einer Alkoholvergiftung 2011 für immer dem Klub 27 beigetreten ist. Neben anderen im Alter von 27 Jahren verstorbenen Popstars wie Brian Jones, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison und Kurt Cobain wird Amy Winehouse bekanntlich zu diesem erlauchten Kreis von zweifelhaftem Ruf gezählt. Auch Blues-Legende Robert Johnson und Jazz-Trompeter Richard Turner wurden in ihm aufgenommen, und es soll Britney-Spears-Fans gegen, die in der Nacht vor deren 28. Geburtstag extraviele Gebete gen Himmel schickten, damit die ebenfalls von Exzessen und Erschöpfungszuständen gebeutelte Britney nicht in letzter Sekunde ihr Ticket für den ominösen Klub lösen würde. Die Schwierigkeit, Amy Winehouse in einem Kinofilm ohne dokumentarischen Anspruch gerecht zu werden (also anders als Asif Kapadias Filmporträt »Amy«, dessen Titel allein eine gewisse Intimität vermuten lässt, die nie eingelöst wird), besteht darin, die Fülle an Details, aus der sich ihre Live-Fast-Die-Young-Biografie zusammensetzt, und damit das breite Spektrum an Gründen für ihr frühes Ableben, in die überschaubare erzählte Zeit ihrer wenigen Lebensjahre hineinzupacken – und das auch noch in der knapp bemessenen Erzählzeit eines Unterhaltungsfilms.

Wenig Luft zum Atmen

Regisseurin Sam Taylor-Johnson beansprucht die Aufmerksamkeitsspanne des Publikums für beinahe genau zwei Stunden – und auch bereits in ihrer Wahl des Filmtitels, »Back To Black«, steckt ein Fingerzeig auf die geradezu körperliche Nähe, die sie – ähnlich wie Kapadia, aber wesentlich ehrlicher – zur real existierende Heldin ihres Spielfilms sucht. Schließlich handelt es sich um das Zitat eines sehr persönlichen Songs von Amy Winehouse, in dem sie nicht irgendeinen Schwank aus ihrem Alltag erzählt, sondern eine depressive Phase rekapituliert, in der ihre von Drogen verseuchte On-Off-Beziehung zum Gatten Blake Fielder-Civil mal wieder aus dem Ruder läuft. Zudem entschied sich Taylor-Johnson für ein Höchstmaß an behaupteter Authentizität, indem sie Hauptdarstellerin Marisa Abela noch weniger Luft zum Atmen ließ bei der Interpretation der Hauptrolle, als man etwa Rami Malek für seine Verkörperung Freddie Mercurys in »Bohemian Rhapsody« zugestanden hatte. Zwar gewann Malek damals den Oscar für den besten männlichen Hauptdarsteller, musste sich diese Auszeichnung aber mindestens teilen mit dem inoffiziellen Gewinner des Oscars für den beliebtesten Geist eines Popstars in einem Biopic: Freddie Mercury.

Marisa Abela nutzt das bisschen Luft, das man ihr unter Amy-Look und Amy-Habitus noch gab, für die Reproduktion von Amy Winehouse’ Stimme.  Tja, finde den Fehler. Natürlich lässt die sich nicht nachahmen, aber die Story des Films entfaltet sich nun mal anhand von Winehouse-Songtexten – da muss (oder darf) die junge Schauspielerin durch. Das macht sie gut, auch wenn einem gerade durch diesen Drehbuch-Kniff und die damit zusammenhängenden Marisa Abela/Amy Winehouse-Gesangsperformances klar wird, dass Amy Winehouse‘ Mentalität, alles persönlich zu nehmen, die in diesen Songs zum Ausdruck kommt, heute vielmehr Teil ihres Images als ihrer wie auch immer gearteten wahren Persönlichkeit ist. Nun, die geht uns ja auch gar nichts an. Wenn die noch lebende Amy Winehouse eine Kippfigur auf der Schwelle zwischen Star der alten Schule (dem Alltag enthoben) und Celebrity der heutigen Zeit (dem Alltag verpflichtet) war, unentschieden, auf welche Seite sie sich schlagen soll, so wie sie in der besten Szene des Films im Bühnengraben vor ihren Fans beziehungsweise am Abgrund ihrer Karriere balanciert, dann können wir froh sein, dass uns Taylor-Johnson nicht zu tief in den Moloch ihrer Privatsphäre hineinzieht. Dieser Film sagt: Amy Winehouse bleibt für immer ein Star. Basta. 

Die lyrische Amy

Der Verzicht auf ihre »echten« Dämonen führt natürlich zu einem geringeren Maß an Intensität, denn ohne die hätte die »echte« Amy Winehouse ihre Songs niemals schreiben und singen können. Die Einblicke in private Momente sind in »Back to Black« eher von oberflächlicher Art – gemeint ist etwa die fürs Publikum durchaus unterhaltsame Kennenlern-Sequenz von Blake und Amy. Alles scheint so, wie Fans und andere Phantasten sie sich ausmalen würden, oder wie Amy selbst es in ihren Songs durch ein lyrisches Ich (bitte nicht vergessen) für uns aufbereitet hat. Einzige Ausnahme ist womöglich die kurze Sequenz, in der Amy Winehouse‘ jüdische Familie ganz wundervoll singt, bevor sie aus diesem jüdischen Background schlüpft wie aus einem zu engen Kleid, indem sie mit ihrer Stimme den Chor der anderen zum Schweigen bringt, sodass zwar ihre Großmutter Cynthia als Role Model und ihr Vater als Mentor/Manager wichtig bleiben, ihre Jewishness aber auch im Folgenden keine Rolle mehr spielt.

Die reale Amy Winheouse und ihr lyrisches Ich mögen einander ähnlich gewesen sein wie eineiige Zwillinge – das macht sie noch nicht zu einer einzigen Person. Genauso wenig wie eine sich ihr in fast allen äußerlichen sowie am Markt veräußerten Merkmalen annähernde Darstellerin nicht doch eine riesige Lücke hinterließe zwischen sich und dem Vorbild. Diese Lücke dürfen wir selbst mit unserer Vorstellung füllen, wer Amy Winehouse gewesen sein mag. Klar, ihre Lieder sind nicht von ihrem cooen Selbstbewusstsein zu trennen, dass sie etwa dem ersten Manager oder den Plattenfirmen-Macho-Bossen gegenüber an den Tag legt –  so macht sie im Film gleich klar, dass sie sich eher in einer Reihe mit Sarah Lois Vaughan als mit den Spice Girls sieht. Auch sind ihre Songs nicht zu trennen von der Geschichte ihrer tragischen Partnerwahl und des Drogenkonsums, der sie an die Schwelle des Klub 27 brachte, lange bevor sie tatsächlich durch dessen Tür fiel. Aber ihre Songs bleiben lange Momente, die die Zuhörenden von dem zu trennen in der Lage sind, was sie selbst im Alltag zu bewältigen haben und die gleichzeitig nicht behaupten, dass der Alltag unwichtig wäre. Sam Taylor-Johnsons Biopic ist letztlich weniger eine Hommage an Amy Winehouse als eine Erinnerung daran, dass solche großartigen Momente durch Popmusik möglich sind. Wirklich erleben kann man sie in »Back to Black« allerdings nicht. Dafür ist der Film ein bisschen zu nett.

Text: Wolfgang Frömberg, Foto: Studiocanal/ Dean Rogers