Immer im Austausch
Der Schweizer Saxofonist François de Ribaupierre ist aus der Kölner Jazz-Szene nicht wegzudenken.
Auch mit dem Abstand von mittlerweile 14 Jahren wirkt der Einstieg in »Shades of Silence« des François de Ribaupierre Trios wie ein Türöffner in eine neue, eine eigene Welt: Spontan und voller Spielfreude legt der Eidgenosse, der schon länger in Köln beheimatet ist, mit dem Saxofon los, bevor Volker Heinze am Bass und Marcus Rieck an den Drums einsteigen. Leicht swingy, zuzeiten karnevalesk (mit bestimmten Blickkontakt nach New Orleans), womöglich sogar der ein oder andere Latin-Einfluss – ganz ist das nicht zu bestimmen, was hier so wunderbar antreibt. Es ist aber energiegeladen, nicht überpotent, sondern wie ein beschwingter Vorabendtee oder -Sekt, je nach Laune. Wenn sich dann Rieck im Schlagzeug-Solo mit einladender Tom-Stimmung und dezentem Einsatz der Becken in einen südatlantischen Rausch spielt, verliert sich »Who’s Next«, der Opener eben jenes Albums, komplett in Zeit und Raum.
So unverzüglich wie der Einstieg in diesen Smaragd der jüngeren Jazz-Geschichte, so früh kam auch das Interesse des jungen François de Ribaupierre. Zuhause in Lausanne stolperte er als Jungspund über die Plattensammlung seines Vaters, war sofort begeistert von der Jazz-Musik, die er da hörte. Sowas wolle er auch spielen, sagte er sich. Begann dann am Klavier, nahm bald die Klarinette dazu, lernte sechs Jahre an der Schule und versuchte sich in etlichen Bands. Mit 19 kam dann das erste Tenorsaxofon dazu. Dennoch schaute er sich weiter um, versuchte sich in einem Studium der Germanistik und Geschichte – ein wenig humanistische Bildung hat noch niemandem geschadet -, ging dann aber doch »all-in« und bewarb sich an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz. Seitdem ist de Ribaupierre nicht mehr aus der hiesigen Jazz-Szene wegzudenken.
Ein erster, größerer Knall war selbstverständlich das innovative, aufsehenerregende Gruppengefüge, das sich aus dem gemeinsamen Studium ergab: zusammen mit Christian Torkewitz, Gerit von Stockhausen, Alexander Reffgen und André Cimiotti gründete er das Cologne Saxofone Quintet. Da lohnt es sich nochmal reinzuhören:
Mit einem astreinen Cover des Vanessa Williams Klassikers »Save The Best For Last« zeigen sich die fünf Holzbläser (die hier den amerikanischen Fusion-Star Bob Mintzer featuren) von einer fast schon romantischen Seite. Offen für Pop- und Soul-Einflüsse extrahieren sie die jazzy Essenzen des Chartstürmers und spielen in der sonderbaren Formation die verschiedenen Ebenen zusammen und im beständigen Austausch. Es ist eine Kommunikation der außergewöhnlichen Art, ein Gespräch, eine Diskussion, die dann im unisono mündet.
Im Weiteren folgten verschiedene Engagements in Köln und europaweit. So spielte er nicht nur mit Terrence Ngassa auf dessen Jazzpreis dekorierten Stück »Ngassalogy«, sondern auch zusammen mit der WDR Big Band – und in etlichen Locations landein, landaus.
2021 wurde seine Komposition »A Foggy Day in Lockdown Town« beim Kompositionswettbewerb des Cologne Jazz Supporters e.V. prämiert.
Zur gleichen Zeit entstanden auch die Stücke, die de Ribaupierre nun im King Georg vorstellen wird. Zusammen mit seinem Langzeit-Kollaborateur Volker Heinze am Kontrabass und Rolf Marx an der Gitarre geht es dann in empfindsame Gefilde: »Lune De Jour«, also ein Mond, der bereits tagsüber aufgeht; nach diesem Motiv ist das Programm benannt.
Ebenso wie seine preisgekrönte Komposition entstand »Lune De Jour« dementsprechend in Zeiten der weltweiten Corona-Pandemie und damit verbundenen Eindämmungsmaßnahmen, die sich im Alltag als Lockdown, Home-Office, Konzertabsagen und Hygiene-Maßnahmen wie Maskenpflicht und AHA-Regeln manifestierten; zugleich aber gerade Musiker*innen und Künstler*innen allgemein die Chance boten abseits permanenter (Re-)Präsentationspflichten zur Einkehr zu kommen. In diesen kontemplativen Zeiten sind konzentrierte Werke entstanden, die François de Ribaupierre im King Georg präsentieren wird.
Text: Lars Fleischmann, Foto: Gerhard Richter