Enno Stahl: »Realismus und Engagement – Literatur als Gesellschaftsanalyse und soziale Utopie«
Eine Veranstaltung im Rahmen des Sonderprogramms Aufgeschlagen! des Landes Nordrhein-Westfalen
In der Reihe »Literatur zur Zeit«
Moderation: Wolfgang Frömberg
In Krieg und Krise scheint Literatur in den Hintergrund zu treten. Doch beweist allein schon die Vielzahl von Autorinnen und Autoren weltweit, die von autoritären Machthabern gegängelt, bedrängt, inhaftiert, gefoltert und umgebracht werden, dass Literatur nicht harmlos ist, sondern eine Aktivität, die von Autokraten als gefährlich eingestuft wird.
Das neue Buch von Enno Stahl beschäftigt sich mit der Frage, wie Literatur auch hierzulande gesellschaftliche Wirksamkeit zurückerlangen kann. Seine Essays bewegen sich dabei zwischen den titelgebenden Polen von »Realismus« und »Engagement«. Realismus wird dabei verstanden als eine grundsätzliche Ausrichtung der Weltwahrnehmung, aber auch als literarische Kategorie. Engagement besitzt hier einen ganz ähnlichen Doppelcharakter – als tätige Praxis auf der einen und als Motivation und Motiv der Literatur auf der anderen Seite.
Es geht um die Frage, wie Literatur Ausdruck einer solchen Praxis sein kann und wie sie zugleich diese Praxis konstruktiv mit ihren eigenen Mitteln zu befördern vermag. Leider lesen heutzutage immer weniger Menschen. Die Konsequenzen sehen wir jeden Tag. Man kann darin durchaus einen der Gründe für die emotionale Verarmung und die Verrohung des gesellschaftlichen Miteinanders ausmachen.
Zentrale literarische Texte, auch ältere, etwa aus dem Kanon der Weltliteraturgeschichte, erörtern wichtige moralische Fragen, vermitteln Werte, Ideen und Haltungen. Literatur kann Empathie stiften, Facebook offensichtlich nicht. Es ist höchste Zeit, dass Literatur auch von Akteuren der politischen Praxis als wichtiger Transmitter wahrgenommen wird.
Enno Stahl, *1962. Autor, Kulturjournalist und Germanist. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Heinrich-Heine-Institut der Stadt Düsseldorf. Veröffentlichte zuletzt u.a. die Romane »Spätkirmes« und »Sanierungsgebiete«.