Wolken- und Effektuntersuchungen
Cloud Research ist das Berliner Band-Projekt von Mia Gjakonovski (Vocals), Jakob Reisener (Piano), Otis Sander (Bass), Dominik Witte (Drums). Ein Gespräch mit Mia Gjakonovski über technische Effekte, Standards und Einflüsse.
Cloud Research spielen am Mittwoch, 14.9. um 19.30 Uhr in der Reihe »Young Talents«
Wie hat sich das Bandprojekt Cloud Research ergeben?
Wir haben die Band im ersten Studienjahr am Jazzinstitut Berlin ins Leben gerufen. Ich habe schon seit meiner Jugend immer live und in Bands gespielt. Und auch im Studium habe ich schnell gemerkt, dass ich es brauche Musik mit Menschen zu teilen und mit super Musiker*innen zu verwirklichen. Die Band selbst war eine spontane Geschichte: Ich habe mich mit Dominik Witte, der in der Band an den Drums sitzt, zusammengetan. Wir sind in ein Studio an der Universität der Künste in Berlin gegangen; für die Session habe ich zwei Stücke geschrieben. Ich habe dann Otis (Sander) und Jakob (Reisener) gefragt, ob sie mit aufnehmen wollen – und so hat sich das ganz einfach gefügt.
Ihr habt euch dann als Band gefunden, während die Corona-Pandemie auf ihrem Höhepunkt war. Wie war das für euch als Band mit der Ungewissheit, wann man überhaupt mal live auftreten kann? Man stellt sich das doch stressig unter den Umständen vor.
Wir haben letzten Herbst und Winter wirklich vieles nichts spielen können. Umso schöner war es als wir die ersten beiden Konzerte im berühmten A-Trane ausverkauft spielen konnten. Das war nach so kurzer Zeit des gemeinsamen Spielens, einfach ein Riesenerfolg. Da war auch klar, dass wir die Band und ihre Ausrichtung weiterverfolgen wollen. Ganz konkret hatte ich im Sommer richtig Sorge, dass wir die Tour, in die wir so viel Arbeit investiert haben, absagen müssen.
In deinem Pressetext steht, dass du einen musikalischen Hintergrund hast. Für jene, die nicht eingeweiht sind, musst du das, glaub ich, kurz erklären.
Mein Vater ist Bassist in Köln – und bei ihm in der Familie gibt es Musiker*innen schon seit Generationen. Und auch auf der Seite meiner Mutter gibt es sehr viele Musiker*innen. Ich war also von klein auf immer in Kontakt mit dem Musikmachen. Ich lernte erst Block-, dann Querflöte, später Klavier und bin auf den Musikzweig des Humboldt Gymnasiums in Köln gegangen.
Jetzt bist du als Kölnerin nach Berlin zum Studium gegangen – wie kam es zu dem Schritt?
Ich brauchte einen »change of scenery«, einen Tapetenwechsel, und es gab ehrlich gesagt nicht sonderlich viele Städte, die dafür in Frage kamen. Ich habe mich für die Studien-Vorbereitung (StuVo) beworben, wurde dann angenommen und bin dann herzgezogen.
Hat dir der Tapetenwechsel geholfen ,dich selbst und deine Stimme zu finden?
Man kann das so sagen. Doch, auf jeden Fall! Die Distanz zum Ort, an dem man groß geworden ist, diese 550 km, die machen etwas mit einem. Gerade solche Fragen wie »Was will ich mit meiner Musik?« oder »Was will ich mit meiner Musik ausdrücken?« konnte ich für mich damit klären.
Außerdem, das muss unbedingt gesagt werden, lerne ich heute bei der Professorin, bei der ich schon als Teenie studieren wollte. Ich bin unter anderem für sie ans Jazzinstitut Berlin gegangen.
Das klingt so als hättest du sehr früh entschieden, professionelle Musikerin zu werden.
Ja, ich habe wirklich sehr früh diesen Mind-Set bei mir gespürt – dem nachzugehen, was mich glücklich macht. Als (Front-)Sängerin habe ich selbstverständlich ein anderes Leben als Künstler*in denn als Sidewoman. Aber, genau das will ich. Das Wort »Leidenschaft« passt da perfekt.
Außerdem steht im Pressetext, dass du nordmazedonische Wurzeln hast. Hat das musikalische Auswirkungen für dich?
Ja, mein Vater kommt aus Nordmazedonien und ich habe viel Zeit meines Lebens dort verbracht. Und von dort auch Mentalität und Flair mitgenommen. Ich bin mit der Musik Nordmazedoniens (und des Balkans) groß geworden und habe deswegen eine Vorliebe für »Odd Meter«. Diese ungeraden Taktarten, die ihren Ursprung auf dem Balkan und im Nahen Osten haben, sind sehr wichtig für die Songs, die ich schreibe.
Wie ist dein Verhältnis zur Folklore?
Das ist einfach eine Musik, die immer bei uns zu Hause neben Straight-Ahead lief und die ich früh gehört habe. Nicht nur einfach Folklore, sondern auch Fusion-Musiken. Musik, die Jazz und Folklore verbindet.
Aber man muss aufpassen: Ich mache keinen Balkan Beat oder Balkan Jazz. Ich habe da schon häufiger überlegt, ob ich das aus meiner Bio oder meinem Pressetext streiche. Viele Menschen haben ein sehr klares Bild davon, was es bedeutet, von der Musik des Balkans beeinflusst zu sein. Das ist aber bei mir nicht richtig. Man findet sehr wenige Elemente der Folklore in meiner Musik – die Musik hat mich nur geprägt, aber sie steckt nicht 1:1 in meiner Musik.
Was sind denn Traditionen und Musiker*innen, die direkten und konkreten Einfluss auf deine Musik und die Band haben?
Da muss ich die Modern Jazzer, vor allen Dingen die New Yorker Szene nennen. Ich höre tatsächlich sehr wenige Standards. Ich höre dafür mehr Instrumental-Musik, wenig Sänger*innen, wenn dann eher aus dem (Neo-)Soul-Bereich. Hiatus Kaiyote ist eine meiner Lieblingsbands und Nai Palm ist eine der größten Sängerinnen überhaupt. Dazu kommen dann Musiker wie Avishai Cohen und Gerald Clayton. Und viel Pop: Beyoncé ist auch … krass. (lacht)
Ich finde sehr spannend, dass du auch mit Effekten auf deiner Stimme und Harmonizing arbeitest. Das kennt man ja eher aus dem Pop als aus dem Jazz-Bereich.
Mit dem Harmonizer arbeite ich erst seit ein paar Monaten, dabei ist das schon seit meiner Jugend etwas, wovon ich geträumt habe. Aber irgendwie kam es nie dazu.
Es ist so interessant, was man noch zusätzlich mit dem Gerät verwirklichen kann, soundmäßig. Natürlich kann ich sehr viel mit meiner Stimme realisieren; aber dieses elektronische Moment, das hatten wir noch nicht in der Band. Cloud Research ist bis jetzt komplett analog – bis auf meinen TC Helicon. Ich finde diesen Kontrast zwischen elektronischem und analogem Sound superspannend. Wir wollen das auf der Tour noch weiter erkunden und schauen, was alles möglich ist im spontanen Experiment. Wir sind ganz am Anfang unseres Daseins als Band, und ich bin mir sicher, dass wir das auch hinsichtlich eines Albums weiter erkunden werden.
Ich möchte abschließend nochmal zu den Standards zurückkommen. Woher kommt deine Zurückhaltung, die ich eben rausgehört habe?
Bevor ich angefangen habe zu studieren, habe ich noch relativ viele Standards gesungen. Ich habe in Köln in Trios gesungen, da haben wir das ganze Repertoire rauf- und runterinterpetiert. Für das Studium lerne ich die Standards auch immer noch weiter. Mittlerweile habe ich aber meine eigene musikalische Sprache und Sparte gefunden, in die ich meine Zeit und Energie investiere.
Ich schätze sehr, was ich aus den Songs gelernt habe. Aber ich kann nicht mehr relaten, was die Texte ausdrücken. Das sind irgendwelche Love-Songs; die sind in ihren Ideen total von der Zeit überholt. Vielleicht bin ich zu sehr Teil einer »Woke«-Generation, aber die Inhalte stören mich nur noch. Ich habe jahrelang die Lieder gesungen und die Texte nie wirklich beachtet. Wenn man heute hinhört, dann passt das einfach nicht mehr in unsere Zeit. Wer weiß: Vielleicht komme ich irgendwann nochmal auf sie zurück, aber gerade entwickle ich lieber meine eigene Sprache.
Interview: Lars Fleischmann