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Der Besuch der Ikone

Mit Rainer Trüby kommt eine echte Legende und ein Guru der Música Popular Brasileira am 1.4. in die Klubbar.

Rainer Trüby gilt nicht bloß als Ikone des deutschen Nu Jazz, sondern auch als einer der hiesigen Gurus der MPB, der Música Popular Brasileira.

Kennen Sie zum Beispiel Sergio Mendes & Brasil 66 oder Tom Ze? Dann könnte das durchaus unmittelbar oder mittelbar an Rainer Trüby liegen, der seit den Neunzigern mit seinem umtriebigen Verhalten zwischen Auflegen, Kompilieren und selbst (Band-)Projekte ins Leben rufen die deutsche Digging-Community geprägt hat, wie nur wenige andere. Das geht so weit, dass – so will es der gut überlieferte Mythos – er selbst die Fantastischen 4 mit Samples ausgestattet hat.

Jetzt ist Asha Puthli keine Brasilianerin und Trübys Einfluss sollte hier erst beginnen; vom Höhepunkt sind wir 1992 noch weit entfernt. Stattdessen brach er seine Zelte in der baden-württembergischen Heimat ab, beendete seine Party-Nacht-Reihe im legendären On You-Club und zog in die damalige Underdog-Stadt Freiburg. Die Nähe zur Schweiz sollte sich bemerkbar und bezahlt machen, denn die Nachbarn aus dem nahen Basel kamen in die Clubs an der Dreisam.
Trüby lernte Bernd Kunz kennen und gründete A Forest Mighty Black – ja, klar, der Schwarzwald ruft. 

Langsam schält sich ein eigenes Genre aus der Schale: Nu Jazz. Auch wenn Trüby nie ganz glücklich mit dem Begriff werden sollte: Gefühlt ist die Nähe zu heutigen Beatscene-Experimenten, zum Boom-Bap und zu Sample-Hip-Hop näher. Aber was soll es? Wenn die Leute dadurch die Liebe zum Jazz lernen, dann ist doch allen geholfen, oder?

Nur entfernt strahlen hier Schnippsel von Jazz-Platten durch, manchmal auch nur über Soul und Funk vermittelt. Wir reden derweil über die Neunziger und im Mainstream war Jazz spätestens mit Bill Clinton keine bedeutende Größe mehr. Während aber an einigen Stellen Revivals vorbereitet werden, die erst etwas später zünden sollten – und an wiederum anderer Stelle die Durchlässigkeit gegenüber Free Jazz so groß, dass übersehene Komponisten wie Sun Ra oder Peter Brötzmann auch beim schnöseligen aber meinungsstarken Musikmagazin-Lesertum ankommt -, konzentriert Trüby in Freiburg seine Diggerkünste. Plötzlich stolpert er immer häufiger über Songs und Tracks, die in Kleinststückzahlen veröffentlicht wurden, aber vergleichsweise leicht lizenziert werden konnten.
So entstehen zum Beispiel die »Glücklich«-Compilations für das Stuttgarter Compost-Label: Gesammelt werden hier nicht die brasilianischen, latin oder afro-karibischen Originale, sondern meist virtuos, manchmal wunderbar absurd nachgespielte oder herbeifantasierte Stücke aus deutschen/europäischen Landen.

»Glücklich« von Christian Lembrecht, Claus-Robert Kruse, Rolf Köhler, Peter Franken, Peter Weihe aka To Be. 1977 in Hamburg eingespielt, längst vergessen als Trüby dieses und weitere Stücke 17 Jahre später auf Platte bannt. Nu Jazz oder Rare (Organic) Grooves – egal wie man das Kind damals nennen sollte, wichtig waren die musikalischen Lektionen bezüglich Groove, Improvisation, Spielfreude.

1997 gründet Trüby dann in Freiburg das Trüby Trio – zusammen mit Christian Prommer und Roland Appel. Doch auf ein Album musste man erstmal länger warten; man spezialisierte sich auf Remixe, auf Live-Auftritte und auf einen DJ Kicks-Beitrag. Die Mutter aller DJ-Mixe klopfte 2001 an. Legendär sind die 78 Minuten voller Elan und Esprit, die Techno-Kids wie House-Hipster gleichermaßen irritierte: Tanzbar war das, auch wenn man die Drum-Machines (fast) vergeblich suchte. An dieser Stelle wird aus Nu Jazz langsam Deep House – auch spannend.
Erst zwei Jahre später kam dann das eigentliche Debüt-Album. Als »Elevator Music«, also Fahrstuhlmusik, sollte die Platte in die Geschichtsbücher eingehen. 

Später sollte sich das Trio trennen – im Guten – und Rainer Trüby fortan alleine oder mit immer neuen Partner*innen Singles produzieren, während weiterhin in regelmäßigen Abständen Compilations bei renommierten Labels erscheinen. Der längst zum (musikalischen) Weltenbummler mutierte DJ, füttert nun Plattenteller an allen möglichen Orten mit seinen seltenen Sounds und seinen groovy House-Nummern. Wie zum Beispiel »Jeck«:

Der King Georg-Klassiker passt natürlich wie die Faust aufs Auge für Trübys Besuch am Dom. Auch im bereits vierten Jahrzehnt seiner DJ-Tätigkeit ist der Schwabe – immerhin hat er die Liebe zu gutem Wein in Baden etntdeckt – kein bisken müde. Auch 2023 wird noch gemischt und gemixt, ausgegraben und wieder lieben gelernt. Wir freuen uns auf eine echte Legende.

Text: Lars Fleischmann