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Hingebungsvoll locker bleiben

Jazz from New York: Der Pianist Christian Sands galt schon im Kindesalter als Virtuose und ist als gestandener Musiker den Jazz-Fans in den USA längst ein Begriff. 


Christian Sands

Der Name klingt bedeutungsschwer: Christian Sands. Christliche Sande. Man denkt vielleicht kurz an Moses, der die Israeliten durch die Wüste geführt hat; womöglich auch an Jesus, der in der Wüste versucht wurde. Große Bilder. Doch letztlich ist Christian Sands – ganz säkular betrachtet – einfach ein gesegneter Pianist. 

Dabei weckt der Name des 32jährigen aus New Haven, Connecticut, mit Sicherheit auch andere Assoziationen – und die haben mit der aufstrebenden Jazz-Szene in den Staaten, vor allem in New York zu tun.
Dass es endlich wieder Jazz-Künstler*innen in den Mainstream schaffen, ist ein willkommenes Surplus der bekanntermaßen ständig anwachsenden Jazz-Welle. Ja, selbst hierzulande wissen die Feuilletons immer öfter von talentierten Jazz-Musiker*innen zu berichten, in den USA wird gar mit höchsten Weihen und Ehren nicht mehr gegeizt. Die wunderbare Saxofonistin Lakecia Benjamin spielte für die Obamas; der Pianist Jon Baptist gewann den Oscar – und auch Christian Sands ist in seiner Heimat ein fester Begriff, während er in Deutschland zuvorderst Insidern bekannt ist und zumindest außerhalb der (Straight Ahead-)Jazz-Szene noch ein Schattendasein führt.

Spaß und Offenheit bestimmen sein Pianospiel

Nachdem er 1989 in Connecticut geboren wurde, fand sich Sands früh am Piano wieder. Schon im Kindesalter wurde er von Billy Taylor unter die Fittiche genommen. Taylor, der mit Parker, Gillespie und Miles Davis gespielt hat, ahnte sofort, was für ein Talent in Sands schlummerte. So bat er ihn, da war sein Schüler gerade mal 15, doch eines seiner Konzerte für ihn zu Ende zu spielen. Diese Ehre war schier unvorstellbar – und dennoch nicht überwältigend. Fortan wussten die Eingeweihten der Ostküste, auch im vergleichsweise nahen New York City, was für ein Kaliber dieser junge Virtuose war. Und dass er ein ganz Großer werden kann.

An der Manhattan School of Music, jener Institution, die schon Max Roach, Herbie Hancock und Yusef Lateef ausbildete, wandte sich Sands während seines Studiums gleich verschiedenen Musik-Richtungen zu. So spielte er nicht nur klassisches Jazz-Piano, sondern widmete sich auch afro-karibischen und afro-kubanischen Musiken. Sands war 2009 Teil des Afro-Cuban Jazz Orchestras – und wurde mit 20 das erste Mal für einen Latin Grammy nominiert.

Stark beeinflusst von den Kompositionen eines Wynton Marsalis, stieg er nach seinem Studium bei der neuen Band des hoch angesehenen Bassisten Christian McBride ein. Die beiden Christians spielten gemeinsam auf drei Alben und waren vier Jahre lang weltweit auf Tour. 

2012 wurde Christian Sands Steinway-Repräsentant – mit 23 Jahren. Heute kann er fünf Grammy-Nominierungen vorweisen. Aber Sands ist keiner, der es für Ruhm macht oder dem Auszeichnungen sonderlich wichtig scheinen. Er ist jemand, der »vom Spielen kommt«. Wer sich Live-Aufnahmen von ihm zu Gemüte führt, merkt schnell: da meint es einer ernst. Und doch nicht zu sehr. Verbissenheit geht ihm ab. Spaß und Offenheit bestimmen sein Pianospiel, auch in seiner Interpretation des Beatles-Klassikers »Yesterday« für den NPR-Sender KNKX Public Radio.

Auf seinem jüngsten Album als Bandleader, »Be Water«, zeigt er die Bandbreite seiner Fähigkeiten – als Pianist und als Komponist. Vielschichtige Stücke, die sich mit Fluidität auseinandersetzen, versuchen das Gefühl einzufangen, wenn man sich voll und ganz einer Sache hingibt, in ihr aufgeht, selbst ein Teil wird. »Be Water« – Sei Wasser! 

An seiner Seite – genauso wie auch im King Georg Jazz-Club am 4. Februar und 5. Februar: Bassist Yasushi Nakamura und Schlagzeuger Clarence Penn. Es sind betörende Bilder, die das Trio musikalisch zeichnet. Feine Arrangements, mit Sinn und Verstand – und mit viel Herz. Sensibel schmiegt sich Pianaist Christian Sands an die Stücke. Ein konzentrierter junger Mann – kein Selbstdarsteller. Immer mit dem Gespür dafür, wann er sich selbst zurücknehmen muss. Das Trio hat mittlerweile das Zusammenspiel auf ein neues Level gebracht. Die Corona-Monate, war zu lesen, habe die Musiker zusammengeschweißt.

So braucht man Christian Sands gar nicht mit religiösen Bildern in Verbindung bringen. Es genügen 88 Tasten und ein Raum zum Spielen, um ihm gerecht zu werden. 

Text: Lars Fleischmann, Foto: Anna Webber