Wohin mit der Musik
Das Konzert des Projekts LIV ALMA der Kölner Saxofonistin Johanna Klein am 25. März nehmen wir zum Anlass, um einen Blick auf das Label zu werfen, bei dem das dazugehörige Album erscheint.
Papercup Records war bereits mehrfach ein gern gesehener Gast und Präsentator bei Konzerten im King Georg. Der vielseitige Label-Ko-Chef Keshav Purushotham war schon bei unseren Podcast-Formaten Klubcast – Die Zehnerkarte UND Jazzcast – Die gute Unterhaltung zu Gast.
Bei Papercup muss man normalerweise an Einweg-Getränkebecher denken, die nach dem Köln-Marathon zu Tausenden auf den Straßen liegen. Doch das Label von Keshav Purushotham und Steffen »Steddy« Wilmking hat mit Überbleibseln oder unnötigen Müllbergen rein gar nichts zu tun. Ganz im Gegenteil: Wie kaum ein anderes Label hat Papercup in den letzten Jahren das Kölner Musikgeschehen geprägt und verändert – und zwar zum Besseren.
Das hätte man 2015 nicht gedacht; immerhin befand sich das Label damals noch in einem Dornröschen-Schlaf. Um das zu verstehen, lohnt ein Blick in die Vergangenheit: Timid Tiger wurden in der ersten Hälfte der Nullerjahre als die Indie-Band mit den süßen Videos (»Miss Murray«) um einen Comic-Tiger bekannt. Gesicht der Gruppe war Frontmann Purushotham. 2009 wechselte dann das Line-Up, Wilmking kam dazu, man ging zusammen zur Sony Tochter Columbia und war immer noch die sympathische Band von nebenan. Nichtsdestotrotz gab es Verschleißerscheinungen und 2012, nach lange währenden Arbeiten am Album »The Streets Are Black«, sind Timid Tiger langsam Richtung Break-Up getaumelt. Um das Album doch noch zu veröffentlichen, gründeten Purushotham und Wilmking schnell ein eigenes Label.
Papercup Records war geboren – nur um dann erstmal wieder in der Versenkung zu verschwinden. Es standen andere Projekte an: Wilmking, der sowieso seit Mitte der Neunziger schon permanent als Drummer, Produzent, Masterer, Songwriter auftrat, produzierte 2011 das Album »Casper XOXO« und war in Folge ein willkommener Gast in den Studios und auf den Alben der deutschen Charts-Größen. Purushotham arbeitete als DJ und entwickelte allmählich sein neues Alter Ego Keshavara. Für die Veröffentlichung des Solo-Debüts wurde das alte Label 2016 wiederbelebt. »Wir wussten damals gar nicht genau, was man alles mit einem Label machen kann. Es war als Kanal für Keshavs Output gedacht – und entwickelte sich dann halt weiter«, so Steddy im Gespräch 2020.
Und was für eine Entwicklung Papercup nahm! Mittlerweile gibt es neben dem Hauptlabel Papercup noch vier weitere Sub-Label. Da ist der Instrumental-Hip-Hop-Ableger A Good Cup of Hope, Ambient gibt es bei Breezzze. Relativ frisch ist die Musikiste dazugekommen und ganz neu: AAa (Am Anfang angekommen). Doch wie findet das Label eigentlich seine Künstler*innen? Gerade Keshav tut sich hier hervor (»Er ist unser geheimer A&R«, so Steddy), der als Kenner der Kölner Szene hauptsächlich nach neuen Acts sucht. So kommt immer noch ein Großteil der Künstler*innen eben aus Köln – und aus allen Ecken der Musik. Da wären die Math-Jazz-Indie-Rocker von Infant Finches, das Ambient-Projekt Plasma Hal oder der Psych-Indie der Band ACUA. Ein breiter Einblick in die Kölner Szene.
»Früher machten wir Musik und es gab immer wieder die gleichen Fragen: Wo geht man damit hin? Wo bringt man das jetzt raus? Das war dann auch der Hauptfaktor: Eine Plattform für uns selbst und unsere Freunde bieten« so Keshav. Das klingt pragmatischer als es letztlich ist, die Anerkennung bleibt dennoch nicht aus. Es gab mittlerweile Preise, das Kern-Projekt Keshavara hat letztes Jahr ein neues Album veröffentlicht und deutschlandweites Echo bekommen. Und auch andere Bands und Künstler*innen können die Plattform nutzen, um ihre bis dato besten Alben zu veröffentlichen.
Wie etwa LIV ALMA, das Projekt der hervorragenden Jazz-Saxofonistin Johanna Klein. Hier taucht sie ab in einen elektronischen Bedroom-Pop amerikanisch/britischer Schule, der mit wenig Mitteln, dafür mit sehr viel Tiefe daherkommt. An ihrer Seite Drummer Jan Philipp – bekannt als Jazzer, aber auch als Teil des Duos Infant Finches.
Leftfield trifft hier auf extrem modernen synthetischen Soul – die Nähe zur britischen Durchstarterin Tirzah und ihrer non-binären Produzent*in Mica Levi ist unverkennbar. Was natürlich hervorragend auch zu Papercup passt, einem Label, dem man stets anmerkt, dass man mehr als ein „deutsches Label“ sein möchte: Internationaler in Sound und Ausdrucksweisen, über den Tellerrand hinausschauend. Lokal vernetzt, global in der Denkweise. Klingt gut, ist es auch!
Text: Lars Fleischmann