Switch to english version here
ausblenden
Nächster livestream: Ulita Knaus Quartett
ausblenden

Charles Mingus’ 100. Geburtstag

Charles Mingus zählt zusammen mit Ellington und Monk zu den bedeutendsten Komponisten des Jazz. Viele seiner Stücke sind längst Standards. Am 22. April wäre der 1979 verstorbene Bassist und Bandleader 100 Jahre alt geworden.


Charles Mingus

Am 22.4.2022 ist der 100. Geburtstag des Bassisten, Komponisten und Bandleaders Charles »Charlie« Mingus, der bereits im Jahre 1979 nach langem Kampf mit ALS verstarb. Es gibt eine Vielzahl von Büchern über Charles Mingus, zum Beispiel seine Autobiografie »Beneath The Underdog« , Brian Priestley: »Mingus: A Critical Biography« und Sue Mingus (seine letzte Ehefrau): »Tonight at Noon«

Charles Mingus wurde am 22. April 1922 in Nogales, Arizona, geboren und wuchs im Stadtteil Watts in Los Angeles auf. Er hatte afro-amerikanische, chinesische, südamerikanische und europäische Wurzeln. Er spielte schon als Kind Posaune und Cello. Erst später wechselte er zum Bass. Er konnte zunächst keine Noten lesen, beschäftigte sich dann als Twen umso internsiver mit Kompositionstechniken. 

Als Bassist bekam er schon mit Anfang 20 Anerkennung und spielte mit renommierten Musikern wie Buddy Collette, Barney Bigard und Louis Armstrong. HIER spricht Buddy Collette 1999 im Interview über diese Zeit.

Mitte der 1940er Jahre spielte Mingus in der Band von Lionel Hampton, der seine Komposition »Mingus Fingers« 1947 aufnahm:

Um 1950 spielte Mingus im Trio des damals populären Vibraphonisten Red Norvo gemeinsam mit Gitarrist Tal Farlow, hier mit »Move«:

Gemeinsam mit Max Roach, dem bedeutenden Schlagzeuger, gehörte Mingus zu den ersten Musikern, die ein eigenes Label starteten. Debut Records begann 1952. Ihre erfolgreichste Veröffentlichung eine Live-Aufnahme, die sie 1953 mit den großen Beboppern Charlie Parker, Dizzy Gillespie und Bud Powell in Toronto machten und als »Jazz at Massey Hall« herausbrachten: 

https://www.youtube.com/watch?v=goyApscIEwc

1953 spielte Mingus kurze Zeit in der Big Band seines großen Vorbilds Duke Ellington. Doch seine explosive Persönlichkeit – er war dafür bekannt, immer ein Messer bei sich zu tragen – führte dazu, dass Ellington ihn rausschmiss. 

Mingus‘ Karriere kam nun richtig in Fahrt. Über den 10-Jahres-Zeitraum von 1955 bis 1965 brachte er 30 Alben unter seinem Namen heraus, darunter viele, die bis heute als Meisterwerke gelten, zum Beispiel »Pithecanthropus Erectus« 1956:

1960 trat Mingus in Antibes auf mit Eric Dolphy + Bud Powell + Ted Curson + Booker Ervin + Danny Richmond. Daraus entstand eine erfolgreiche Doppel-LP. Hier Video-Aufnahmen des Auftritts:

»I’ll Remember April«: 

Nachträglich koloriert: 

»Wednesday Night Prayer Meeting«: 

Trotz ihres früheren Zerwürfnisses kamen Mingus und Ellington 1961 im Studio zusammen für die Trio-Aufnahme »Money Jungle« mit Schlagzeuger Max Roach:

Als Komponist versuchte sich Mingus auch an größeren Werken. Sein zweistündiges Epos »Epitaph« schlug bei der Erstaufführung in der New Yorker Town Hall 1962 grandios fehl. 1989, zehn Jahre nach Mingus‘ Tod erfolgte dann eine erfolgreiche Aufführung unter Leitung von Gunther Schuller in New York. Hier ein Ausschnitt aus der Aufführung im Rahmen der Berliner Jazztage 1991:

Für seine Europe-Tournee 1964 hatte Mingus seine wohl stärkste Band seiner Karriere beisammen mit Eric Dolphy, Clifford Jordan, Johnny Coles, Jaki Byard und Danny Richmond. Zu unserem Glück gehört die Tour zu den bestdokumentierten Tourneen einer amerikanischen Band zu jener Zeit. Zahlreiche Fernseh- und Tonaufzeichnungen sind erhalten geblieben. Hier Aufnahmen aus Belgien, Norwegen und Schweden:

Dolphy starb wenige Tage später in Berlin, was Mingus in tiefe Depression stürzte, die über Jahre anhielt. 

Danach – ab ca. 1970 – hatte Mingus eine letzte Hochphase mit neuen Bands, hier in Oslo 1970 mit Eddie Preston, Charles McPherson, Bobby Jones, Jaki Byard und Dannie Richmond:

In München trat er 1972 mit Jon Faddis, Charles McPherson, Bobby Jones, John Foster und Roy Brooks auf:

Bei den Berliner Jazztagen 1972 trat er auf mit Joe Gardner, Hamiet Bluiett, John Foster und Roy Brooks und als Gast Ellington-Trompeter Cat Anderson:

Seine letzte großartige Band bestand aus Don Pullen, Hamiet Bluiett, George Adams und Dannie Richmond, hier beim Umbria Jazz Festival 1974:

https://www.youtube.com/watch?v=9tBSfErtyRk

In Montreux 1975 spielte Mingus mit Jack Walrath, George Adams, Don Pullen und Dannie Richmond und den Gästen Benny Bailey und Gerry Mulligan:

Danach raubte die schreckliche Krankheit ALS Mingus zunehmend die Kräfte. Er starb am 5. Januar 1979, seine Frau Sue verstreute seine Asche auf seinen Wunsch im Ganges in Indien.

Sue Mingus hat die Erinnerung wachgehalten durch die Mingus Big Band und weitere Formationen, die Mingus‘ Musik bis heute auf höchstem Niveau spielen. Hier die Mingus Big Band in Burghausen 1999:

Mingus zählt zusammen mit Ellington und Monk zu den bedeutendsten Komponisten des Jazz. Regelmäßig erscheinen bisher unveröffentlichte Live-Aufnahmen. Viele seiner Kompositionen sind zu Jazz-Standards geworden. Seine Musik lebt weiter.

Text: Hans-Bernd Kittlaus