Django (2): Übermenschliche Gitarrenkunst
Im zweiten Teil unserer Artikel-Serie zu Leben und Wirken des legendären Jazzgitarristen Django Reinhardt geht es um seinen allmählichen Aufstieg zu einem der Größten des europäischen Jazz.
Nachdem wir beim letzten Mal mit einem Ausblick auf die Weltkarriere des Manouché Django Reinhardt endeten, kommen wir an dieser Stelle wieder zurück zum Jahr 1928.
Am 23. Januar des Jahres wurde Reinhardt also 18 Jahre alt – also volljährig – und unterschrieb sechs Monate später wohl seinen ersten Studiovertrag. Er wurde erst für vier Aufnahmen, im Anschluss nochmal für sechs weitere engagiert. Zwischen dem 20. und dem 24. Juni spielte er also bei zehn Stücken mit so illustren Namen wie »La Caravane« und »Amour De Gitane« mit. Dafür wurden
ihm das erste Mal offiziell eine Gage ausgezahlt: 500 Francs. Da der Französische Franken damals auf Grund politischer Krisen mehrfach entwertet wurde, war es leider nicht ein kleines Vermögen, sondern heute vergleichbar mit 350 Euro. Immerhin.
Für Reinhardt, der im Wohnwagen lebte und nichts weiter als seine Gitarre, etwas Nahrung und ein paar Getränke brauchte, deutete sich ein Leben abseits von Sorgen ab. Doch bekanntermaßen sollte diese Sorglosigkeit nicht lange anhalten: Das folgenreiche Feuer im Wohnwagen kostete ihn Finger an seiner Griffhand. Während Frankreich von der einen zur nächsten Kalamität schlingert, kämpft
Reinhardt mit der Gesundheit – zugleich kommt der Jazz in Frankreich (und Deutschland) an. Jetzt entwickelt er ein Eigenleben, das nicht nur auf der Interpretation US-amerikanischer Hits basiert, sondern immer häufiger von illustren Orchestern eingespielt wird.
Durch die Melodien hindurch
Reinhardt selbst braucht beinahe drei Jahre, bis zum Frühling 1931, um auf die Beine zu kommen. Er landet im südfranzösischen Toulon und taucht im »Café de Lion« auf. Dort kommt er erstmalig in Kontakt mit einem selbstbewussten Jazz; also einer Musik, die nicht nur als Salon- und Volksmusik funktioniert, sondern wagt und einen eigenen Wert entwickelt. Dort sieht ihn nicht nur der namhafte Filmemacher Jean Cocteau – der sehr begeistert ist von dem Manouche -, sondern auch Louis Vola,
ein bekannter Bassist und Bandleader. Vola nimmt im kommenden Sommer mehrere Stücke mit Reinhardt auf und tourt an der Südküste entlang – inklusive Nizza und Cannes.
Es sollte dennoch bis zum Januar 1934 dauern, bis die Karriere richtig losgeht. Der mittlerweile zur echten Größe im Pariser Nachtleben gewachsene Hot Club (de Paris) lädt ihn ein. Django Reinhardt wird für sein delikates, feines Spiel gefeiert, für seine Improvisationskunst und dafür, dass er Melodien »hoch- und runterspielt, manchmal sogar durch sie hindurch«. Das größte Magazin für Jazz in Frankreich (»Jazz-Tango-Dancing«) schwelgt in Begeisterung. Schon zwei Tage später folgt der nächste Auftritt – er und der Pianist Stephané Grappelli werden Freunde. Fortan wächst Reinhardt zum Star der Szene.
Wer ist Jungo Reinart?
Hatte er, auch auf Grund seiner Verletzungen, in den ersten sechs Jahren seiner Karriere knapp 40
bekannte Aufnahmen eingespielt, verdoppelt sich die Zahl inert einem Jahr. Als »Django Reinhardt et la Quintette du Hot Club« nimmt er auch Klassiker wie den »Tiger Rag« auf. (Man achte daraur: im Dezember 1934 ist er erstmalig Bandleader.)
Lustigerweise kann in der Jazz-Szene der französischen Hauptstadt erst im Januar 1935 ein Fehler korrigiert werden: Über ein Jahr läuft der Wundergitarrist als Jungo Reinart in den Clubs und Nachberichten. Doch in der Zwischenzeit hat sich das Gerücht vom besonderen und eigenartigen Musiker in der Haute-Volee rumgesprochen; wir erinnern uns: Reinhardt ist noch keine 25
Jahre alt zu dem Zeitpunkt. Der absolute Durchbruch steht aber gerade bevor: Im
März spielt er das erste Mal mit dem Weltstar Coleman Hawkins. Die Aufnahmen von »Blue Moon« und »Avalon« verbreiten sich in Windeseile auf dem ganzen Kontinent.
Obwohl er hier nur die zweite Geige respektive Gitarre spielt, kommt eins zum anderen. Innerhalb von fünf Tagen entstehen 15 Vinylrecordings. Im Juni 1935 wird erstmalig in den USA über Reinhardt geschrieben. In Paris und London spielt er unterdessen fast täglich Konzerte in verschiedenen Konstellationen – als Bandleader, dann wieder als Sideman. Wobei die Sideman-Rolle wird
zumindest vom Publikum nicht mehr angenommen; längst kommen sie für in erster Linie für Reinhardt.
Wie es weitergeht mit dem berüchtigten Gitarristen, wie Reinhardt den Faschismus überlebt und dann doch frühzeitig stirbt, erfahren sie im dritten und abschließenden Teil der Reihe.
Text: Lars Fleischmann/ Foto: William P. Gottlieb Sammlung